Nach der bedrohten Existenz des Verbandes während der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Kriegsende in der Geschäftsstelle des DEF mit Erleichterung wahrgenommen, doch auch im Bewusstsein über die bevorstehenden Schwierigkeiten beim Wiederaufbau der Arbeit. Seit 1933 hatte sich der Verband gemeinsam mit der Evangelischen Frauenarbeit unter das Dach der Arbeitsgemeinschaft der missionarischen und diakonischen Dienste unter Leitung von Pastor Friedrich v. Bodelschwingh gestellt, um der drohenden Eingliederung in das NS-Frauenwerk oder der Schließung des Verbandes zu entgehen. Schon 1941 war die Christliche Presse „wegen Erfordernissen der Kriegswirtschaft“ eingestellt worden. So musste auch die 'Evangelische Frauenzeitung' eingestellt werden. Ferner war den christlichen Verbänden die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im politischen und sozialen Bereich fast völlig entzogen worden. Von den 38 Heimen, die dem DEF 1933 gehört hatten, konnten nur 16 gerettet werden, von denen jedoch fünf stark beschädigt waren. Zudem waren viele Kontakte während des Krieges abgebrochen und mussten nun langsam wieder aufgenommen werden. Das war in dem von den Siegermächten in Zonen aufgeteilten Land nicht einfach, da zunächst keine Grenzüberschreitung möglich war. In der russisch besetzten Zone wurde der Verband zudem verboten.
Die Mitgliederzahl war stark zurückgegangen und die finanzielle Situation äußerst schwierig. Über die größte Not halfen Beihilfen einiger Kirchenbehörden, schreibt Gertrud Kappeller, die Geschäftsführerin des DEF, in der Rückschau auf die Verbandsgeschichte unter dem Titel: Antwort auf die Herausforderung der Zeit. 75 Jahre Deutscher Evangelischer Frauenbund 1899-1974.
Durch die Beschränkung auf die christliche Ausrichtung der Arbeit war es, wenn auch notgedrungen, zur vertieften Erkenntnis des christlichen Ansatzes und der Ziele des Verbandes gekommen. Aus ihnen kam die Kraft zum Überdauern und gaben nun Impulse zum Wiederaufbau. Die Aufgaben lagen buchstäblich auf der Straße: Hilfeleistung für Flüchtlinge und Ausgebombte, für die vielen mittel- und arbeitslosen alleinstehenden Frauen, für die Verzweifelten, Kranken und Alten. Neben dem Wiederaufbau des persönlichen Lebensbereiches, der die Kräfte stark beanspruchte, galt es, den alten Grundsätzen des DEF entsprechend, die Mitverantwortung für das öffentliche Leben wieder aufzunehmen, dazu zu motivieren und vorzubereiten und trotz veränderter Verhältnisse die Mitgestaltung des gesellschaftlichen Lebens durch die Frau erneut aufzugreifen. Gertrud Kappeller schreibt dazu: „Zunächst war es wichtig, die Mitglieder wieder an Fragen des öffentlichen Lebens heranzuführen, ihnen zu helfen, sich über die Probleme beim Aufbau der Demokratie zu informieren, sich zu anstehenden Gesetzesreformen eine eigene Meinung zu bilden. Hierbei standen - den Zielen des Verbandes entsprechend - zwei Gesichtspunkte im Mittelpunkt: eine Meinungsbildung aus christlicher Sicht und die Förderung der Gleichberechtigung der Frau.“
Daher wurden die staatsbürgerlichen Lehrgänge wieder aufgenommen, wobei auf Überparteilichkeit und politische Meinungsvielfalt geachtet, Toleranz und Disziplin in den Diskussionen eingeübt wurde. In den altbewährten Vorständekursen wurden parlamentarische Spielregeln erlernt und in den Arbeitshilfen zu aktiver Mitarbeit durch die Ortsverbände aufgefordert. Viele Stellungnahmen erarbeitete die Geschäftsstelle dann und gab sie an den Rechtsausschuss der Evangelischen Frauenarbeit, in dem immer etliche DEF-Mitglieder vertreten waren, zur Veröffentlichung weiter.
Es wurden intensive Kontakte zu Politikerinnen der demokratischen Parteien gepflegt, von denen etliche auch Mitglied im DEF waren.
Seit 1948 konnten zunächst die 'Mitteilungen' und seit 1956 die 'Neue Evangelische Zeitung' des Verbandes über die Arbeit informieren und seit 1963 bot die von der Sozialreferentin Dr. Ilse Haun initiierte Schriftenreihe 'Verantwortung' zu den jeweiligen Jahresthemen den Ortsverbänden hilfreiche Anregungen zur Gestaltung der Verbandstreffen.
Neue Arbeitsfelder kamen hinzu, so auf dem Gebiet der Hauswirtschaft und der Verbraucherfragen, der Rundfunkdienst zur kritischen Begleitung von Hörfunk- und Fernsehsendungen und andere mehr, die von einzelnen Ortsverbänden durchgeführt wurden. Nicht zu vergessen die mannigfachen Verbindungen, die zu Gruppen und Einzelpersonen in der DDR aufrechterhalten wurden. Unzählige Briefe und Pakete wurden geschickt und nach Möglichkeit Besuche gemacht und gemeinsame Tagungen organisiert.
Ferner nahm der Verband die Mitarbeit in der Ökumene wieder auf und ebenso die Kontakte zur internationalen Frauenbewegung. Hier war es Hildegard Ellenbeck, die die Nachfolge von Dr. Meta Eyl übernommen hatte, die vom Johannesstift in Berlin-Spandau enorme Neuanfänge startete. Bei der Fünfzig-Jahr-Feier des DEF 1949 schaute sie zurück und führte eindrucksvoll aus, wie mühsam der Aufbruch von Frauen sich gestaltet hatte und warum es trotz erheblicher Schwierigkeiten beim Neustart nach dem Krieg weiterhin nötig sei, diesen Verband wieder aufzubauen. Die Festpredigt hielt Landesbischof Dr. Hanns Lilje aus Hannover über das Wort „Der Meister ist da und ruft dich“ (Joh. 11,28). Als junger Theologe hatte er im Christlich-Sozialen Frauenseminar unterrichtet und kannte daher die Arbeit des DEF sehr gut und unterstützte sie wiederholt in schwierigen Situationen. Unter dem Titel 'Wir hörten den Ruf' wurden die Texte der Festveranstaltung später veröffentlicht. Darin werden auch die beim Neustart durch konservative christliche Kreise, besonders der Gemeindefrauen, dem DEF in den Weg gelegten Schwierigkeiten angedeutet. Doch sie konnten durch Umsicht, durch die geleistete Arbeit überwunden werden.
Die Gesichtspunkte, die für den Fortbestand des DEF sprachen, wurden damals folgendermaßen zusammengefasst:
1. Die Ziele der Frauenbewegung sind nicht überholt. Die gleichberechtigte Stellung der Frau in Familie, Beruf, Kirche und öffentlichem Leben ist eine „notwendige Ergänzung zum männlichen Prinzip im Dienst an der Gemeinschaft“. Sich dafür einzusetzen ist christliches Handeln.
2. Der Deutsch-Evangelische Frauenbund ist eine Plattform für die Begegnung von Menschen verschiedener kirchlicher Richtungen, eine Plattform, die auch den Frauen, die 'am Rande der Kirche' stehen, die Möglichkeit zu Meinungsbildung und Mitarbeit auf der Grundlage Christlichen Glaubens vermittelt.
3. Die Laienbewegung in der Kirche muss gestärkt werden. Dazu gehört, dass Frauen nicht nur als Hilfskräfte angesehen werden, sondern dass ihnen die Möglichkeit gegeben wird, mitzudenken, mitzuentscheiden und selbständig mitzuarbeiten. Dazu kann eine flexible Gemeinschaft wie der Deutsch-Evangelische Frauenbund helfen, der ohne langwierige Kompetenzfragen solche Möglichkeiten schafft und dadurch die Initiative und die Freude der Frauen an der Mitarbeit im kirchlichen Bereich stärkt.
4. Eine gesamtkirchliche und übergemeindliche Frauenorganisation, die sich der Aufgaben anzunehmen versucht, die außerhalb der Gemeinde auf die Kirche zukommen, erscheint als notwendige Ergänzung zu gemeindlicher Frauenarbeit.
5. Die Verbindung der beiden Ziele der evangelischen Frauenbewegung, Hilfe durch die Frauen und Hilfe für die Frauen, ist eine Aufgabe, die nicht veraltet.
Ich denke, das gilt auch heute noch – nach vielen Jahrzehnten trotz manchen Fortschritts.
Halgard Kuhn