Am Freitag, den 13. März 2020 verkündet die bayerische Landesregierung die Schulschließung in Bayern, zunächst bis zum 20. April. Anfang Mai weiß niemand, wie lange diese noch anhält und wie sich die Wege aus der Schließung in die Normalität gestalten werden. Zeit für einen kleinen Zwischenbericht über zu Hause arbeiten und unterrichten.
An jenem Freitag kam mein Siebenjähriger tränenüberströmt mit schwerem Gepäck aus der Schule. Besorgt fragte ich ihn, was denn los sei, und er schluchzte heftig: „Ich habe so viele Hausaufgaben auf, da werde ich nie im Leben wieder fertig“. Ich tröstete ihn und versuchte ihm zu erklären, dass er für die gestellten Aufgaben drei Wochen Zeit habe, wir jetzt einfach gemeinsam zu Hause Schule spielen und ich im Wechsel mit dem Papa die Lehrkraft sei. „Dann bist Du also Frau Schnabelstedt“ (Name geändert) und der Papa ist dann Herr Schnabelstedt“, beschloss er freudig.
Eine Stunde später sah ich vom Küchenfenster aus meinen Elfjährigen strahlend und vergnügt mit leichtem Gepäck nach Hause hüpfen. Ich hatte die Haustür noch gar nicht richtig geöffnet, da rief er mir schon gewichtig zu: „Ich habe ab jetzt Home Office. Dafür brauche ich leider deinen Computer, du kannst ja auch auf dem Tablet arbeiten! Am Montag sagen uns die (gemeint ist die Schule) Bescheid und am Dienstag um 7.55 Uhr geht’s los!“ Ich war mir da nicht so sicher, vor allem, wenn ich an die schulische Lernplattform dachte, aber seine Vorfreude steckte auch mich an, sodass zumindest wir beide den Montag kaum erwarten konnten.
Am Montagmorgen starteten wir dann das neue Familienprojekt „Schule zu Hause“. Dafür entwarfen wir mit den Kindern gemeinsam einen ungefähren „Stundenplan“ und klare Regeln für den Ablauf. Unsere Küche wurde zum Klassenzimmer umfunktioniert, zum einen, weil ich nicht zwischen den Kinderzimmern herumspringen wollte, zum andern boten die Kinderzimmer aber auch zu viele Ablenkungen an, vor allem, wenn man nicht eine halbe Stunde bis eine Stunde Hausaufgaben machen soll, sondern den ganzen Vormittag auch Neues lernen soll.
Bei meinem Siebenjährigen suchte ich aus der Fülle der Arbeitsmaterialien zunächst einmal die aus, von denen ich ausging, dass sie ihm ein bisschen Spaß machten, schließlich wollte ich es mir als Frau Schnabelstedt nicht gleich am ersten Tag verscherzen. Der Große hatte von seiner Lehrkraft klar vorgegeben bekommen, was er zu tun hatte, so dass er weitgehend selbstständig arbeiten konnte. Wie bei allem, was neu und daher interessant ist, verlief der erste Vormittag für uns alle zu vollster Zufriedenheit. Am Nachmittag bekamen wir dann von der Schule des Großen die Plattform (es war nicht die allgemein bekannte schulische Lernplattform!) für das virtuelle Klassenzimmer sowie die Zugangsdaten genannt.
Gespannt saßen der Große und ich am nächsten Tag vor meinem Computerbildschirm, während der Papa die Rolle von Frau Schnabelstedt für den Kleinen übernahm. Pünktlich um 7.55 Uhr begrüßte die Lehrkraft die Kinder im Chatroom der Plattform und informierte über die wichtigsten Funktionen, so zum Beispiel, wo die Kinder ihre Aufgaben finden und wie sie Fragen stellen können. Zunächst konnten die Kinder sich gegenseitig im Chat begrüßen, ein Profilbild hochladen und ganz entspannt die Plattform erkunden. Kindern, die keinen Computer zu Hause hatten, wurde von der Schule einer gestellt, sodass tatsächlich die gesamte vierte Klasse am virtuellen Unterricht teilnehmen konnte.
Während beim Kleinen die Beschulung klassisch mit Arbeitsblättern, Hefteinträgen, Ausmalen, Ausschneiden und Anschauen der „Sendung mit der Maus“ für den Heimat- und Sachunterricht (HSU) ablief, lernte der Große nicht nur schulische Inhalte, sondern vor allem viele neue Funktionen und Nutzungsmöglichkeiten des sonst so langweiligen Arbeitscomputers kennen. Jeden Tag holte er sich seine Aufgaben für den jeweiligen Tag Stück für Stück ab. Diese waren sehr vielfältig: Hefteinträge, Wortdiktate via Audio, Ausfüllen von Arbeitsblättern klassisch oder digital, Herunter- und Hochladen der Aufgaben, Fotos oder Filme erstellen von Sport, Deutsch oder HSU-Aufgaben, Ordner anlegen, Online Mathe- und Deutsch-Übungen absolvieren, an Umfragen teilnehmen, persönliche Chaträume mit Freunden auf der Plattform einrichten, an Videokonferenzen teilnehmen und persönliches Zeitmanagement – natürlich mit elterlicher und schulischer Unterstützung.
Fazit: Die ersten drei Wochen verliefen überraschenderweise sehr gut und ich selber kam sogar auch noch zum Erledigen meiner eigenen beruflichen Tätigkeit, wenn auch oft bis spät in den Abend. Mittlerweile sind wir ein echt gut eingespieltes Team. Aber gelingen kann das Ganze nur, wenn alle Familienmitglieder mitmachen und gemeinsam versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.
Sabine Jörk, EAM-Vorsitzende