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Mit der Ungewissheit leben...

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Bundesvorsitzende Dietlinde Kunad berichtet

Manchmal fühlte ich mich in den Tagen der Ausgangsbeschränkungen wie am Morgen des Neujahrstages: Die Zeit war auf “Null“ gestellt. Es war unwirklich still auf den Straßen, als wenn Sonntagvormittag wäre, die Nachbarschaft noch träume.

Plötzlich waren Dinge nicht mehr so wichtig: das Analysieren von Problemen, das Abfassen von mehr oder weniger klugen Traktaten, viele Termine.

Ich selber freute mich einfach am Leben, daran den Sonnenschein und die blühenden Bäume vor dem Schlafzimmerfenster zu genießen, meine bunten Stief­mütterchen auf der Terrasse wachsen zu sehen.

Anfang März wurde ich aufgrund eines Vorhof­flimmerns innerhalb von drei Monaten zum zweiten Mal an den Pulminalvenen operiert, sozusagen dort, wo “COVID-19“ hauptsächlich zuschlägt. Trotzdem fühlte ich mich eigenartigerweise nicht als Hoch­risikopatientin, denn in mir war schlagartig eine innere Zufriedenheit mit dieser Zwangspause eingekehrt. Ich gönne mir im privaten Umfeld nun auch selber eine schöpferische Auszeit, wenn ich sie brauche.

Doch wie kann ein bundesweiter Verband, dessen Mit­glieder Ortsverbände, Anschlussvereine sowie Einzel­mitglieder sind, die fast alle vom Alter her zu den Risikopatientinnen gehören, in “Coronazeiten“ am Leben und untereinander in Verbindung gehalten werden? Was zählt, wenn die persönlichen Möglich­keiten der Mediennutzung so unterschiedlich sind, selbst bei den Kolleginnen im Vorstand und Vor­standsrat? Digitalität ist zwar in aller Munde, doch vernetzt und spaltet sie in gleichem Atemzug:

Die einen sind topfit am PC oder Tablet, können sich jederzeit in Videokonferenzen einwählen, die ande­ren müssen alle Unterlagen per Post erhalten, um auf dem Laufenden bleiben zu können.

Und doch gehören alle gleichberechtigt und gleich­wertig zu den fast ausschließlich ehrenamtlich arbeiten­den Entscheidungsträgerinnen eines Verbandes, der die gegenwärtigen Entwicklungen kritisch begleiten, den Finger auf gesellschaftliche Verwerfungen legen, Lösungen voranbringen und Zukunft gestalten möchte.

Wir wollen möglichst viele unserer Mitgliedsfrauen am Entscheidungsprozess beteiligen, ein Stück Orien­tierungshilfe geben in diesen aufgeregten Zeiten der Verlautbarungen, Newsletter, Pressemitteilungen und Ratschläge aller Art. Gut zu informieren war und ist das Gebot der Stunde:

Wir versuchen, möglichst keine Frau zu vergessen oder “in Rente zu schicken“, solange sie Verantwortung für sich und andere übernehmen will.

Für den Verband stellte sich die Frage: Welche Mög­lichkeiten der Beteiligung werden nun verstärkt, was tritt in den Hintergrund? Wo müssen Lücken ge­schlossen, welche Bildungsaufträge vertieft werden?

Die Homepage des Verbandes ist eine gute Plattform für Denkanstöße. Auf wichtige aktuelle Themen - auch von Kooperationspartnern – haben wir gezielt hingewiesen. Vielen Dank an unsere ehrenamtliche Schwer­punktbeauftragte Medien! Es gilt, gerade jetzt verstärkt Engagement zu zeigen und sich zu positionieren für Menschen, die nicht im Rampenlicht stehen, obgleich sie systemrelevant sind, wie z. B. die Fachkräfte in der Hauswirtschaft! Ein sichtbarer Dank an Klinikpersonal und Reinigungs­kräfte ist eine bessere, angemessene Bezahlung. Es gab vieles zu hinterfragen:

Wer entscheidet, ob junge oder alte Menschen be­sonders schutzbedürftig sind? Wie erreichen wir Men­schen in Alten- und Pflegeheimen, wenn die häufig weibliche, ehrenamtliche Ansprache durch Angehörige fehlt, die wir jahrzehntelang als ganz selbstverständ­lich vorausgesetzt haben?

Welche Freiheitsrechte sind keinesfalls verhandelbar? Welcher Datenschutz muss unbedingt eingehalten werden?

Müssen die hohen Finanzmittel des Staates jetzt erst recht gezielt für klimaneutrale Projekte eingesetzt werden? Haben wir wirklich inzwischen solidarisch zu denken gelernt oder stehen wir vor mörderischen Verteilungskämpfen?

Was macht kirchliche Gemeinschaft aus, wenn Reli­gionsausübung stark beschränkt werden muss?

Wie versuchen wir als Verband, nicht nur Fragen zu stellen, sondern auch Lösungswege aufzuzeigen? Auch kleine Schritte können Großes bewirken! Wochen­endbriefe per Mail der bayerischen Landesvorsitzen­den geben Denkanstöße, WhatsApp-Gruppen der Mit­gliedsfrauen werden unterstützt, Facebook, Twitter, Instagram individuell bespielt. Verbandsintern bleiben das “Geschriebene“ und das “Gesprochene Wort“ ein bedeutendes Mittel der Kommunikation.

Unsere Mitgliedsfrauen machen in diesen Zeiten untereinander wie selbstverständlich das, was sie schon immer gemacht haben: Sie kümmern sich! Sie rufen an und fragen nach, wie es der Freundin geht, der Nachbarin. Sie schreiben Briefe, schicken Fotos und Gebete als Mutmacher. Aufkommender Resignation wird meist mutig und fast trotzig begegnet: Sie erzählen von der Freude über Rundschreiben der Pfarrgemeinden und Hauskreise, von virtuellen Andachten und dem nun doch zunehmend forscheren Arbeiten mit dem Smartphone.

Sie freuen sich darüber, dass sie nicht nur als Vorstandsmitglieder angerufen werden, sondern auch, wenn sie “nur noch“ normale Mitgliedsfrauen sind. Sie erzählen offen, wie sie das Leben alleine ohne Partner oder Partnerin, ohne den persönlichen Austausch mit Familie und Freunden bewältigen. Viele kreative Ideen wurden verwirklicht, Schnitte für Schutzmasken ausgetauscht, auf YouTube-Anleitun­gen verwiesen und genäht. Inhaberinnen von Stoff­geschäften bekamen Aufträge für Masken, die dann wiederum gespendet wurden. Einkaufsunter­stützung wurde organisiert, ein festes Grußritual von Balkon zu Balkon vereinbart, Mutmach-Sprüche und Gottesdienste verlinkt. Zuhören und Gehörtwerden werden bedeutsamer in Zeiten der Ausgangsbe­schränkungen. Das Wort “fernmündlich“ hat noch einmal besonderes Gewicht bekommen.

Unsere Mitgliedsfrauen haben sich überparteilich, übergemeindlich und ökumenisch durch den DEF bei Veranstaltungen, Seminaren, Studientagen und Studienfahrten kennengelernt. Sie haben zusammen gelacht, manchmal mit- und aneinander gelitten, eigenverantwortlich im Team Veranstaltungen gestal­tet. Sie sind oft seit Jahrzehnten über räumliche, aber auch soziale Grenzen hinweg im Glauben verbunden.

Manche Frau bedauert es zwar jetzt, an den Online-Kursen und Schulungen des Verbandes nicht teilge­nommen zu haben. Daher werden Digitale Stamm­tische von uns verstärkt angeboten und weitere Beteiligungsmöglichkeiten ausgelotet, denn was nicht ist, kann ja noch werden...

Unsere eigene Vorstandsarbeit wird gestrafft, auf das Wesentliche fokussiert, neue Formate erprobt, die Notwendigkeit von auswärtigen Terminen hinter­fragt.

Nutzen wir diese Chancen mit Herz und Verstand! Krisenzeiten können zu Zeiten des Neubeginns werden, wenn Gottes guter Geist die Grundlage bildet.

Bleiben Sie gesund und Gott befohlen!

Ihre

Dietlinde Kunad

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Dietlinde Kunad mit Geburtstagsgrüßen
1. Videovorstandssitzung der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Haushaltsführungskräfte im Landesverband Bayern; Foto: privat