Wohnen ist ein Grundbedürfnis, das in der deutschen Öffentlichkeit eine große Rolle spielt. Zeitschriften wie z.B. „Landlust“ und „Schöner Wohnen“ zeigen seit Jahren beispielhaft auf, wie schönes Wohnen gelingen kann. Bei diesem Hype können jedoch nicht alle Haushalte in unserer Gesellschaft mithalten, denn zunächst muss man eine geeignete und finanzierbare Wohnung oder Haus für sich und seine Familie auf dem Wohnungsmarkt finden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv e.V.) hat 2019 als Verbandsthema „Bezahlbares Wohnen“ gewählt.
Deutschland ist im Gegensatz zu anderen EU-Ländern ein Mietwohnungsland. In kreisfreien Städten sind laut einer Studie von Saville rund 65 Prozent des Wohnraums Mietwohnungen. Zwei von drei Vermietern sind Privatpersonen. Außer großen Wohnungsunternehmen, die wirtschaftlich auch als Aktiengesellschaften arbeiten, gibt es noch Wohnungsgenossenschaften, die besonders in Berlin zu finden sind.
Bezahlbare Wohnungen zu finden ist für viele VerbraucherInnen zum Problem geworden. Nicht nur die Kaltmieten steigen kontinuierlich an, sondern auch die Betriebs- und Nebenkosten, wie z.B. die Grundsteuer, die demnächst nach einer neuen Berechnungsgrundlage erhoben wird. In den deutschen Großstädten fehlen mehr als 1,9 Millionen bedarfsgerechte Wohnungen. Um diesen Bedarf zu decken, müssen pro Jahr ca. 400.000 Wohnungen neu gebaut werden. Diese Neubauvorhaben unterliegen dem Kostentreiber von ca. 20.000 gültigen Bauvorschriften und Anforderungen an die jeweils örtlich individuelle Bauausführung. Ein weiteres Hindernis bei Neubauvorhaben ergibt sich aus den knappen und innerstädtisch teuren Baugrundstücken. Spekulationsgeschäfte mit dem nicht vermehrbaren Boden lassen die Quadratmeterpreise der fertigen Wohnungen steigen und somit die dafür geforderten Kaltmieten.
Diese Baulandkosten zu minimieren, haben die Kommunen und Landkreise selbst in der Hand. Sie können eine geordnete Erschließung neuer Baugebiete betreiben oder Baulücken in der Stadt schließen. Eine weitere Möglichkeit bietet sich durch die Vergabe von Grundstücken in Erbpacht an. Die Erbpacht wird monatlich oder jährlich erhoben und senkt somit die Belastung. Eine weitere Möglichkeit, die Nebenkosten beim Erwerb einer Immobilie zu senken, besteht in der Reduzierung der Grunderwerbssteuer, die in den 16 Bundesländern unterschiedlich hoch verlangt wird.
Im ländlichen Raum ist zwar die Eigentumsquote höher als in der Stadt, aber die Wege zur Arbeit, zur Schule sind in der Regel länger. Auch in der Klimadiskussion darf der ländliche Raum nicht zugunsten der Stadtbevölkerung auf der Verliererseite stehen. Für mich haben die Chancengleichheit in unserer Gesellschaft und das Angebot gleichwertiger Lebens- und Wohnangebote (einschließlich Mobilität) für alle Priorität. Die Entwicklung im ländlichen Raum im Gegensatz zur Stadt muss bei unseren Überlegungen zur Zukunft des Wohnens eine Rolle spielen. Ebenso müssen die Boomregionen im Süden Deutschlands und die Bundesländer im Osten sowie das Ruhrgebiet und Bremen Beachtung bei den Beratungen finden. Der ländliche Raum soll nicht als Ausnahme, sondern gleichwertig bearbeitet werden.
Das Wohngeld soll Haushalte mit niedrigem Einkommen unterstützen. Bund und Länder haben auf dem Wohnungsgipfel am 21.September 2018 eine Verbesserung des Wohngeldes vereinbart. Das Wohngeld für Mieter und der Lastenzuschuss für selbstnutzende Wohneigentümer müssen die realen Verhältnisse der Betroffenen wiedergeben. Das neue Wohngeldstärkungsgesetz (WoGStärG) soll die zuletzt am 1.Januar 2016 erfolgte Anpassung des Wohngeldes an die gestiegenen Verbraucherpreise und Mieten abbilden. Auch die Einkommensgrenzen sollen erhöht werden, damit mehr Haushalte einen Wohngeldanspruch erhalten. Um Wohngeld zu erhalten, werden alle Antragssteller nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit überprüft. Die regelmäßige Überprüfung des Anpassungsbedarfs (§39 des Wohngeldgesetzes - WoGG) soll künftig Grundlage für eine gegebenenfalls erforderliche Anpassung des Wohngeldes sein.
Sigrid Lewe-Esch, DEF-Delegierte im vzbv